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Fertiprotektion

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Fertilitätsprotektion

Fertilitätsprotektion

Der Begriff Fertilitätsprotektion (kurz: Fertiprotektion) beschreibt den Schutz der Fruchtbarkeit vor der Durchführung von keimzellschädigenden medizinischen Behandlungen. Viele bösartige Erkrankungen können dank der Fortschritte der Tumortherapie dauerhaft geheilt werden. Tumorbehandlungen wie Chemo- oder Strahlentherapie führen allerdings je nach Alter der Betroffenen zu einer verminderten Fruchtbarkeit oder sogar einem frühzeitigen Erlöschen der Eierstock- oder Hodenfunktion. Gerade wenn junge Menschen, die ihre Familienplanung noch nicht abgeschlossen haben, von dem Risiko einer verminderten Fertilität betroffen sind, stellt sich zunehmend die Frage nach den Möglichkeiten einer späteren Elternschaft und der Verwirklichung des Kinderwunsches.

 

Wird bei jungen Menschen im Alter zwischen 18 und 39 Jahren eine Krebserkrankung diagnostiziert, ist dies ein Schock für die betroffene Person und der Gedanke an einen eventuell später eintretenden Kinderwunsch gerät oftmals in den Hintergrund. Da jedoch die Chancen auf eine Heilung mittlerweile bei über 80 % liegen und die notwendigen Therapien wie Operationen oder Bestrahlungen Zeugungsunfähigkeit zur Folge haben können, bedeutet das eine versäumte Gelegenheit auf ein Familienleben. Aus diesem Grund ist es umso wichtiger, sich bereits vor Behandlungsbeginn mit dem Gedanken der Fertilitätsprotektion zu befassen. Im KCM wird deswegen gerne umfassend über eine mögliche spätere Familienplanung und alle Möglichkeiten aufgeklärt.

 

Die folgenden Fertilitätsprotektion-Verfahren kommen am häufigsten zum Einsatz:

Einfrieren von unbefruchteten oder befruchteten Eizellen (Vorkernstadien)
Entnahme von Eierstockgewebe
Kryokonservierung von Spermien
Kryokonservierung von Hodengewebe

 

Möglichkeiten der Fertilitätsprotektion

Einfrieren von unbefruchteten oder befruchteten Eizellen (Vorkernstadien)

Zur Fertilitätsprotektion können sowohl unbefruchtete als auch befruchtete Eizellen (PN-Stadien) eingefroren werden.

Soll bei Frauen vor Durchführung einer Tumortherapie diese Form der Fruchtbarkeitsreserve angelegt werden, ist zunächst zu klären, welcher zeitliche Rahmen für die Durchführung bis zum Beginn der Tumortherapie verbleibt. Aufgrund der physiologischen Gegebenheiten der Eibläschenreifung liegt das minimal erforderliche Zeitfenster für das Gewinnen und Einfrieren von Eizellen bei ungefähr zwei Wochen. Eine weitere wichtige Voraussetzung ist eine gute ovarielle Eierstockreserve, die durch Ultraschall und die Bestimmung des Anti-Müller-Hormons abgeschätzt werden kann.

Die Abläufe sind identisch mit der Durchführung einer herkömmlichen künstlichen Befruchtung. Zum Einsatz kommt nahezu ausschließlich das Antagonistenprotokoll, das einen sofortigen Stimulationsbeginn unabhängig von den unterschiedlichen Zyklusphasen erlaubt (random start stimulation). Die Nebenwirkungen, insbesondere die Wahrscheinlichkeit eines Überstimulationssyndroms, sind dabei sehr gut kontrollierbar.

Bei hormonabhängigen Tumoren, z.B. bei hormonrezeptor-positivem Brustkrebs, wird zusätzlich ein sog. Aromatasehemmer verwendet, um die Hormonspiegel während der Stimulation niedrig zu halten. Innerhalb von 10 Tagen sind unter Gabe von Follikelstimulierendem Hormon (FSH) die Eibläschen zu ausreichender Größe für die Punktion herangereift. Dies wird durch mehrmalige Ultraschall- und Bluthormonkontrollen überwacht. Zwei Tage später kann die Eizellentnahme in kurzer Narkose erfolgen.

Die gewonnenen Eizellen werden ausschließlich mit dem Verfahren des ultraschnellen Einfrierens (Vitrifikation) kryokonserviert.

Die physiologischen Besonderheiten der Eizelle im Hinblick auf den Spindelapparat und die Membrandurchlässigkeit machen das Verhindern von Eiskristallen beim Einfrieren zwingend notwendig, was nur mit der Vitrifikationsmethode zuverlässig erreicht wird.

Ab dem nächsten Tag ist dann in Abstimmung mit den behandelnden onkologischen Ärzten der Beginn der Tumortherapie denkbar.

 

Unbefruchtete Eizellen

Eizellen in unbefruchtetem Zustand werden in der Regel bei Frauen eingefroren, die noch nicht in einer festen Partnerschaft leben. Eine realistische Anzahl, wieviel Zellen durch eine Stimulation gewonnen werden können, liegt bei Frauen unter 35 Jahren bei 10 bis 15 Zellen. Sie werden in mehreren Portionen eingefroren.

Durch die Weiterentwicklung der Einfriermethoden überleben mehr als 80 % der Eizellen den Auftauprozess und können bei Kinderwunsch mit dem ICSI-Verfahren befruchtet werden.

Die Chancen auf eine Schwangerschaft entsprechen dabei denen bei künstlichen Befruchtungen aufgrund unerfüllten Kinderwunsches. Der Zusammenhang mit dem Lebensalter ist auch hier deutlich. Wissenschaftliche Auswertungen (Doyle et al.) ermöglichen eine Schätzung der Lebendgeburtenrate, die im Alter von 30-34 Jahren bei ungefähr 8% pro kryokonservierter Eizelle liegt.

 

Befruchtete Eizellen

Besteht eine feste Partnerschaft, ist auch die sofortige künstliche Befruchtung der Eizellen mit den Spermien des Partners möglich. Je nach Spermienqualität erfolgt die Befruchtung durch die klassische IVF oder die intracytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI). Die Befruchtungswahrscheinlichkeit für die Eizellen liegt üblicherweise bei 70-80%. Die Befruchtung ist erkennbar anhand der Ausbildung der sog. Vorkerne (Pronuklei) im Inneren der Eizelle. In diesem Zellstadium erfolgt die Kryokonservierung, bevor die Erbanlagen von Frau und Mann verschmelzen.

Das Einfrieren von Vorkernstadien ist eine sichere und seit langer Zeit etablierte Labormethode.

Diese Technik wird regelmäßig im Rahmen von künstlichen Befruchtungen genutzt, um die Erfolgschancen durch die Möglichkeit zusätzlicher Kryotransferzyklen zu steigern. Im Rahmen von Fertiprotektionsbehandlungen wird auch bei einer festen Partnerschaft die gleichzeitige Kryokonservierung von befruchteten und unbefruchteten Eizellen (sog. Splitting) empfohlen, denn die Vorkernstadien dürfen nur in der Partnerschaft verwendet werden, in der sie entstanden sind.

Mehr zum Thema Behandlung mittels IVF oder ICSI erfahren Sie auf unserer Seite zur künstlichen Befruchtung.

 

Entnahme von Eierstockgewebe zur Fertilitätsprotektion

Die Entnahme und nachfolgende Kryokonservierung von Eierstockgewebe zur Fertilitätsprotektion ist mittlerweile zur etablierten reproduktionsmedizinischen Technik geworden. Nach Angaben des Netzwerks FertiProtekt sind aktuell (2020) über 170 Geburten bei Frauen bekannt, die bei der Gewebeentnahme bereits Erwachsen waren. Wenige Schwangerschaften sind bei Entnahme in jüngerem Alter oder vor Erreichen der Pubertät beschrieben. Das Konzept beruht auf der Entnahme von Eierstockgewebe, in der Regel einem halben Eierstock, und der nachfolgenden Rückübertragung bei Kinderwunsch oder zum Ausgleich von Hormondefiziten.

In geeigneten Fällen kann zunächst die Kryokonservierung von Eierstockgewebe und nachfolgend nach wenigen Tagen die Stimulation zur Gewinnung von Eizellen durchgeführt werden.

Vorteile der Gewebeentnahme sind die Durchführbarkeit auch vor Eintreten der Pubertät oder wenn eine Chemotherapie bereits begonnen wurde, der geringe Zeitaufwand (ca. ½- 1 Woche Vorlaufzeit) und die geringeren Kosten im Vergleich zur Eizellkryokonservierung. Problematisch ist die Notwendigkeit des invasiven Eingriffes einer Bauchspiegelung mit erhöhten Risiken durch die Grunderkrankung und das mögliche Rezidivrisiko nach Transplantation durch verbliebene Tumorzellen im Eierstockgewebe.

 

Kryokonservierung von Spermien

Insbesondere für Männer ohne abgeschlossene Familienplanung soll die Beratung zur Möglichkeit der Kryokonservierung von Spermien vor Beginn einer Tumortherapie erfolgen. Bei bösartigen Krebserkrankungen steigen die Überlebenschancen durch Fortschritte in der Tumorbehandlung stetig an. Die Aufklärung von Tumorpatienten über die Möglichkeit der Kryokonservierung ist deshalb in die Leitlinie zum „Fertilitätserhalt bei onkologischen Erkrankungen“ aufgenommen worden. Auch bei Jugendlichen ist die Möglichkeit der Kryokonservierung zu prüfen. Sind Ejakulationen möglich, kann hier ebenfalls ein Kryosperma-Depot angelegt werden.

Sichere Indikationen zur Fertilitätsprotektion bestehen bei allen geplanten Behandlungen, die keimzelltoxische Effekte aufweisen, bei lokalen Behandlungen mit möglicher Schädigung der Hoden oder auch bei Operationen mit negativen Effekten auf die Erektion oder Ejakulation.

Daneben gibt es im Einzelfall auch noch andere Gründe, Kryokonservate von Spermien anzulegen, z.B. bei extrem wenigen Spermien im Ejakulat (sog. Kryptozoospermie), um damit ein Sicherheitsdepot für den Fall des möglichen Fortschreitens zur Azoospermie zu haben.

Die Weltgesundheitsbehörde (WHO) empfiehlt die Anlage eines Kryodepot auch vor der Sterilisation durch Durchtrennung der Samenleiter. Da dieser Eingriff, je nachdem wie lange er zurückliegt, nicht sicher reversibel ist, kann für den Fall eines erneuten Kinderwunsches in veränderter Familiensituation eine Sicherheitsreserve angelegt werden.

Mit zunehmendem Alter des Mannes nehmen Anzahl und Qualität der Spermien ab. Auch für Männer wird deshalb die Möglichkeit des „social freezing“ im Rahmen der Fertilitätsprotektion bereits diskutiert.

Der praktische Ablauf sieht zunächst die Abgabe einer Spermienprobe durch Masturbation vor. Es wird ein Spermiogramm angefertigt, d.h. die Spermienparameter Konzentration, Beweglichkeit und Morphologie werden untersucht.

Ist eine ausreichende Qualität im Hinblick auf eine spätere Verwendung gegeben, werden die Spermien mit speziellen Gefrierschutzmitteln vermischt, in strohhalmförmige Kunststoffbehälter (straws) abgefüllt und auf –196 °C abgekühlt. So ist nach den bisherigen Erfahrungen eine Lagerung über viele Jahre möglich.

Nach dem Auftauen ist mit einer Verschlechterung der Spermienbeweglichkeit und somit mit einer Einschränkung der Befruchtungsfähigkeit zu rechnen. Eine Kinderwunschbehandlung ist damit fast ausschließlich durch Anwendung der ICSI-Technik, bei der die Spermien mit einer Mikropipette durch die Zona pellucida der Eizelle ins Innere der Eizelle eingebracht werden, möglich.

 

Kryokonservierung von Hodengewebe

Wenn im Rahmen einer gewünschten Fertilitätsprotektion kein Kryosperma-Depot angelegt werden kann, weil beispielsweise keine Ejakulationsfähigkeit gegeben ist oder aufgrund der Grunderkrankung keine Spermien im Ejakulat vorhanden sind, kann die operative Entnahme und Kryokonservierung von Hodengewebe erwogen werden. Unter den Tumorpatienten sind die meisten Patienten von einem Hodentumor, einer Leukämie, einem Lymphom oder einem Sarkom betroffen.

Dabei finden sich in 20 % der Fällen keine Spermien im Ejakulat. In dieser Situation ist die Durchführung einer Hodengewebsbiopsie für die testikuläre Spermienextraktion (TESE) die einzige Alternative, um doch noch Spermien des Patienten für eine Kryokonservierung gewinnen zu können. Die Chancen für das Gelingen der Entnahme liegen bei etwa 60 - 70%. Das entnommene Gewebe wird kryokonserviert und bis zur Verwendung in Stickstoff gelagert.

Steht die Durchführung von keimzellschädigenden medizinischen Behandlungen bevor, ist frühzeitiges individuellen Beratungsgespräch für die Bewahrung der Fertilität für eine spätere Kinderwunschbehandlung essentiell. Die Wünsche und Vorstellungen von PatientInnen haben dabei stets oberste Priorität. Unser erfahrene Praxisteam steht Ihnen zur Seite und bespricht mit Ihnen umfassend die Bandbreite an Möglichkeiten zur Fertilitätsprotektion.

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TESE

TESE ist die Abkürzung für testikuläre Spermienextraktion. Hierunter versteht man die Gewinnung von Spermien aus einzelnen Gewebestückchen des Hodens für die Injektion in eine Eizelle (ICSI-Behandlung). Die TESE wird durchgeführt, wenn sich im Ejakulat des Mannes keine Spermien nachweisen lassen.

Social freezing

Die Vitrifikation eignet sich besonders gut für die Kryokonservierung von unbefruchteten Eizellen. Dieses Verfahren des ultraschnellen Einfrierens ermöglicht Frauen die Anlage einer Fruchtbarkeitsreserve, wenn die Verwirklichung des Kinderwunsches erst zu einem späteren Zeitpunkt möglich ist.

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